Montag, 1. Oktober 2012

Neozoen


Eingeschleppte Tiere und ihre Auswirkungen auf Natur und Landwirtschaft

Seit der Entdeckung Amerikas (1492) wurden vom Menschen mit oder ohne Absicht Tiere aus fremden Ländern eingeschleppt (Neozoen). In Österreich gibt es über 500 Neozoen (= 1% der heimischen Fauna), wobei 46 Arten als invasiv oder potentiell invasiv gelten (breiten sich explosionsartig aus). Etwa 30% der Neozoen haben einen ökonomisch oder ökologisch negativen Einfluss. Entweder haben diese Arten in ihrer neuen Heimat kaum Feinde, werden durch Monokulturen begünstigt oder finden Nischen vor, in denen sie gegenüber heimischen Arten überlegen sind und diese verdrängen. Der Rest fügt sich problemlos in die heimische Fauna ein und ist als Bereicherung zu sehen. 

Daneben gibt es Arten, die z.B. auf Grund der Klimaerwärmung ihr Verbreitungsgebiet auf natürliche Weise erweitern – sie gelten NICHT als Neozoen.
                                                                                                       posted by Rudolf Hofer

Foto focusnatura
Foto wikipedia
 Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata): Links Larve, rechts Käfer

Die Kartoffel wurde Mitte des 16. Jhs. von Südamerika nach Spanien gebracht und von dort weltweit verbreitet, u.a. auch nach Nord-Amerika. In Colorado gab es einen harmlosen Käfer, der lokale Nachtschattengewächse fraß. Mit der Verbreitung der Kartoffel wechselte er auf diese verwandte Art – Ernteschäden waren die Folge. Um 1877 wurde dieser Käfer, heute als Kartoffelkäfer bekannt, nach Europa verschleppt, wo er für Ernteausfälle und nach dem 2. Weltkrieg für lokale Hungersnöte mit verantwortlich war. Die gelb-schwarze Warnfarbe des Käfers und die leuchtend rote Farbe seiner Larve signalisieren seine Ungenießbarkeit. Daher hat er kaum Feinde.


Farbvariationen des Asiatischen Marienkäfers. Foto wikipedia

Der Asiatische Marienkäfer oder Harlekin-Marienkäfer (Harmonia axyridis) stammt aus Ostasien und wurde Ende des 20.Jhs. zur biologischen Schädlingsbekämpfung in Glashäusern nach Europa gebracht. In Österreich wurde er 2006 zum ersten Mal in freier Natur entdeckt und hat sich seither weiter ausgebreitet - an manchen Orten tritt er bereits massenhaft auf. Außer Baumwanzen hat er keine Feinde, da ihn sein bitteres, giftiges Blut schützt, das er bei Gefahr abscheidet. Seine Färbung ist sehr variabel, meist mit einer W-förmigen Zeichnung am Halsschild.
Der Asiatische Marienkäfer ist ein gefräßiger Blattlausjäger, verschmäht aber auch andere Insekten nicht und verdrängt heimische Marienkäfer-Arten. Er hat sich inzwischen zu einem Schädling entwickelt. Wenn im Herbst seine natürliche Nahrung ausgeht, vergreift er sich an Obst und Beeren. Zur Zeit der Weinlese suchen die Marienkäfer zwischen den Trauben Schutz vor Wettereinflüssen. Je nach Rebensorte können bereits 1-5 Käfer, die pro Kilogramm Trauben mit verarbeitet werden, zu geschmacklichen Qualitätseinbußen beim Wein führen.


Foto focusnatura
Foto wikipedia
 Die Rosskastanien-Miniermotte (Cameraria ohridel) wurde erst 1984 in Mazedonien entdeckt, in den späten 80er Jahren tauchte sie erstmals in Oberösterreich auf. Während sie im Ursprungsland kaum auffällig ist, verursacht sie in Mitteleuropa bei der weißblütigen Rosskastanie massive Schäden an den Blättern, so dass diese bereits im Sommer partiell verdorren und einen herbstlichen Eindruck hinterlassen. Die Raupen der 5 mm großen Motte minieren im Inneren des Blattes, wo sie sich schließlich verpuppen und erst als Motte das Blatt verlassen. Pro Jahr entwickeln sich 3-4 Generationen, wobei die letzte als Puppe im Laub überwintert. Zur Bekämpfung muss das Laub ganzjährig eingesammelt und verbrannt oder in kommerziellen Kompostieranlagen entsorgt werden (eine Gartenkompostierung reicht nicht aus). Der Baum überlebt den Befall, wird aber geschwächt.


Foto wikipedia
Der Maiswurzel-Bohrer (Diabrotica virgifera) stammt aus Zentralamerika und breitet sich seit den 90er Jahren in Europa aus, in Österreich seit 2002. Ein isoliertes Vorkommen in Tirol konnte inzwischen erfolgreich bekämpft werden. Die Larven dieses Blattkäfers fressen und schädigen die Maiswurzeln und vermindern so den Wasser- und Nährstofftransport, begünstigen Infektionen und vermindern zuletzt die Standfestigkeit des Mais. Die Schäden können beträchtlich sein. Die Käfer fressen an den oberirdischen Teilen und schädigen die Blüten. Neben biologischer (Nematoden) und chemischer Bekämpfung (z.B. Beizen des Saatgutes mit Clothianidin) erweist sich eine dreijährige Fruchtfolge als die schonendste und wirkungsvollste Methode.


Elektronenoptische Aufnahme einer Milbe (wikipedia)
Befallene Bienenpuppe (wikipedia)


Die Varroa-Milbe (Varroa destructor) wurde 1977 mit asiatischen Honigbienen zu Forschungszwecken nach Deutschland eingeschleppt. Während die asiatische Honigbiene mit diesem Parasiten zurecht kommt, führte der Befall bei europäischen Bienenrassen zu seuchenartigen Bienensterben. Neben der direkten Wirkung auf Bienen wird vor allem die Übertragung von Viren und Sekundärinfektionen und die Schwächung der Tiere für das Sterben verantwortlich gemacht. Vermehrung und Entwicklung der Milben findet in der verdeckelten Bienenbrut statt. Die Milben verstecken sich in der Brutwabe und beginnen erst nach deren Verdeckelung die Bienenpuppe anzustechen und Blut zu saugen. Aus dem ersten, unbefruchteten Ei entwickelt sich ein Männchen, aus den 4-5 befruchteten Eiern Weibchen. Die Begattung zwischen den Geschwistern findet noch in der Brutzelle statt. Wird die Bienenpuppe mit einem Virus infiziert, schlüpft eine verkrüppelte, nicht lebensfähige Biene. Im Winter, wenn keine Brut aufgezogen wird, saugen die Milben an erwachsenen Bienen.


Foto focusnatura
Von der braun bis rot gefärbten Spanischen Wegschnecke (Arion lusitanicus) kann wohl jeder Gartenbesitzer ein „Lied singen“. Die ursprünglich auf der Iberischen Halbinsel und in Westfrankreich beheimatete Nacktschnecke wurde durch Pflanzenimporte aus Spanien ins restliche Europa verschleppt und hat sich dort rasch ausgebreitet. In Österreich ist sie 1972 zum ersten Mal aufgetaucht. Als mediterrane Art ist sie trockenheitsresistenter als heimische Nacktschnecken und vermehrt sich bei feuchtwarmem Wetter explosionsartig. Dabei verdrängte sie die ähnlich aussehende heimische Rote Wegschnecke (Arion rufus). Der klebrige, bittere Schleim macht sie für heimische Tiere wenig attraktiv. Nur indische Laufenten finden an ihr Gefallen.


Foto focusnatura
Der Goldfisch (Carassius auratus), eine Mutante der Silberkarausche, wird seit fast 1.000 Jahren in China gezüchtet. Im 17. Jh. wurden Goldfische als erste „Zierfische“ in Europa eingeführt. Seither werden sie in Aquarien und Teichen gehalten und bewirken in der Natur eine Verarmung der heimischen Tierwelt. So leiden auch Frösche und Molche darunter, deren Larven dezimiert oder gänzlich gefressen werden. Goldfische sind bestens an die Bedingungen im Tümpel angepasst, vor allem an die Sauerstoffzehrung im Winter. Durch Reduktion und Umstellung des Stoffwechsels (u.a. wird Ethanol als Endprodukt frei) können sie bei tiefen Temperaturen auch ohne Sauerstoff überleben. Einmal eingesetzt, sind sie aus größeren Teichen kaum zu entfernen.



Bild: wikipedia

Die Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) wurde (ebenso wie der Bachsaibling) 1879 von Nordamerika nach Europa gebracht. Die heutige Regenbogenforelle ist ein Zuchtprodukt und der wichtigste Fisch in der Teichwirtschaft in Mitteleuropa. Sie wurde häufig auch in Fließgewässern eingesetzt, um die durch Gewässerregulierungen schwindenden Bachforellenbestände zu ersetzen. Die Regenbogenforelle ist anspruchsloser in Bezug auf Wasserqualität und nicht auf Unterstände angewiesen. In letzter Zeit ging man in renaturierten Gewässern dazu über, den Besatz mit Regenbogenforellen zu untersagen und wieder heimische Arten zu fördern. In den meisten Gewässern gibt es kein oder nur geringes natürliches Aufkommen.


Foto wikipedia
Da in den 60er Jahren die Populationen der heimischen Edelkrebse durch die Krebspest stark dezimiert worden sind, hat man den gegen diese Krankheit resistenten nordamerikanischen Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) in Europa eingeführt (in Österreich im Jahr 2000). Allerdings erwies er sich als Überträger dieser unheilbaren, tödlich verlaufenden Pilzkrankheit und verdrängt die heimischen Restpopulationen. Der Signalkrebs ist am weißen Fleck auf dem Gelenk der Scherenoberseite zu erkennen; er kann am Landweg neue Gewässer erobern. Der Kamberkrebs ist eine weitere amerikanische Art, die in Europa ausgesetzt worden ist.




 
Foto focusnatura
Die Zebra-, Dreikant- oder Wandermuschel (Dreissena polymorpha) wurde während der Eiszeit aus Mitteleuropa verdrängt. Erst ab 1830 breitet sie sich aus ihrem Refugialgebiet im Kaspischen und Schwarzen Meer mit menschlicher Hilfe wieder nach Westen aus. Zebramuscheln heften sich mit Byssusfäden an harte Oberflächen, so auch an Schiffskörper, und werden auf diese Weise entlang von Schiffsrouten und durch private Boote auch in Seen verschleppt. Zusätzlich verbreiten sie sich als Veligerlarve im Freiwasser. Neben der Verdrängung heimischer Faunenelemente verursachen sie wirtschaftliche Schäden durch Verstopfung von Wasserleitungen. Wasservögel und Fische sorgen für ihre Dezimierung.