Sonntag, 22. Juli 2012

Blühende Gstett'n


Im Herbst letzten Jahres waren die mehrere Jahre andauernden Aufschüttungen an der Harterhof-Deponie in Hötting-West (Innsbruck)  beendet. Nach der Pflanzung von Bäumen an den Abhängen im heurigen Frühjahr hat sich die Deponie mit vielen verschiedenen Ruderalpflanzen auf natürliche Weise begrünt. Diese artenreiche Pflanzengesellschaft aus unscheinbaren bis besonders attraktiven Blütenpflanzen hat den Hang jetzt im Sommer in ein duftendes Blütenmeer verwandelt.

                                                                posted by Elisabeth Hofer


 
Die bis 2m hohe, dicht filzige Großblütige Königskerze (Verbascum densiflorum, Fam. Braunwurzgewächse) verträgt Trockenheit, ihre runzeligen Blätter leiten Regenwasser den Stängel entlang zu den Wurzeln. In Hustenteemischungen wirken die getrockneten Blütenblätter schleimlösend und lindern Reizhusten.

 
Die Raupen des Köngiskerzen-Mönchs (Cucullia verbasci) leben ausschließlich von Blättern verschiedener Königskerzenarten.

 
Nur Hummeln mit langem Rüssel gelingt die Bestäubung der Blüten des Echter Beinwell (Symphytum officinale, Fam. Rauhblattgewächse). „Nektarräuber“ sind kurzrüsselige Erdhummeln, die ein Loch in die Blütenhülle beißen und so zu den begehrten Nektardrüsen gelangen.
Pflanzenjauche aus Brennesseln und Beinwell ist guter organischer Stickstoffdünger.




Die immergrüne, dicht zottig-weißfilzige Kronen-Lichtnelke (Silene coronaria, Fam. Nelkengewächse) ist eine beliebte Zierpflanze in Bauerngärten und wildert leicht aus. Sie gedeiht auf kargen Böden und erträgt zeitweise Trockenheit und Hitze.






Das  Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum, Fam. Johanniskrautgewächse) enthält beruhigende ätherische Öle und Flavonoide, die an der Synthese von Serotonin („Glückshormon“) beteiligt sind. Johanniskrautpräparate  wirken therapeutisch bei leichten Depressionen.
Achtung: Johanniskraut erhöht die Lichtempfindlichkeit der Haut - Sonnenbrandgefahr!



Links: Gewöhnlicher Steinklee 
           (Melilotus officinalis)
Rechts: Weißer Steinklee
              (Melilotus albus)

Die nässe- und trockentoleranten Rohbodenpioniere (Knöllchenbakterien an den Wurzeln binden Luftstickstoff) werden bis zu 2 m hoch.. Nektarreiche, honigduftende Blüten sind eine beliebte Bienenweide und locken auch Schwebfliegen und Schmetterlinge an.



Die 1,5 m hohe Ackerkratzdistel (Cirsium arvense, Fam. Korbblütler), eine Tagfalterpflanze, gilt als hartnäckiges Acker-, Weiden- und Gartenunkraut. Sie breitet sich über Wurzelknospen aus und treibt ein stark verzweigtes, bis 2,8 m tiefes Wurzelwerk, das den Winter überdauert






Die pollenreichen Blüten der Gewöhnliche Kratzdistel (Cirsium vulgare, Fam. Korbblütler) locken Hummeln, Fliegen und Käfer an. Die Pflanze ist Nahrung für die Raupen des Distelfalters. Sie wird 1,5 m hoch, vermehrt sich über Samen, bildet eine Pfahlwurzel und keine Ausläufer.





Die roten Stängel der mächtigen Großen Klette (Arctium lappa, Fam. Korbblütler) sind genießbar, die herzförmigen Blätter wurden früher in Teig ausgebacken. Klettenwurzelgemüse, dem entzündungshemmende, harntreibende, schweißtreibende und blutreinigende  Eigenschaften zugeschrieben werden, schmeckt süßlich. Zur Verbreitung verhängen sich reife Fruchtstände mit Widerhaken im Fell von Tieren oder der Kleidung von Passanten. Früher wurden am 24. Juni, zu Johanni, große Kletten im Stall aufgehängt, um das Vieh vor Krankheit und bösen Geistern zu bewahren.
 

Die Pionierpflanze Berufkraut (Erigon annuus, Fam. Korbblüter), seit dem 18. Jh. ein Neophyt aus Nordamerika, galt lange Zeit als Zierpflanze. Der Name kommt vom mittelalterlichen „Berufen“, der Pflanze wurden Kräfte gegen das Verhexen und gegen den „bösen Blick“ zugeschrieben. Sie wurde auch zum Vertreiben vom Flöhen eingesetzt (englisch „fleabane“= Flohverbanner).






Die Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus, Fam. Korbblütler) führt leicht bitteren Milchsaft. In den Wurzeln speichert sie als Reservekohlenhydrat Inulin, einen Ballaststoff, der die menschlichen Darmbakterien ernährt. In der Pflanzenheilkunde gilt die Wegwarte als eine Pflanze, die Milz, Leber und Galle stimuliert, Kneipp empfiehlt sie bei Magen-, Darm- und Lebererkrankungen.
Kulturformen der Wegwarte sind Chicoree, Radicchio und Zichorienwurzel, aus der der Zichorikaffee der Kriegs- und Nachkriegszeit gewonnen wurde und die auch heute in „Kinderkaffee“ verarbeitet wird.



Der Gewöhnlicher Dost (Origanum vulgare, Fam. Lippenblütler) ist eine alte Heil- und Würzpflanze mit aromatisch duftenden Blättern und Blüten. Reich an ätherischen Ölen, Gerbstoffen und Bitterstoffen, wird dem Oregano-Öl antibakterielle Wirkung zugesprochen.








Der über 1m große Stachel-Lattich (Lactuca serriola, Fam. Korbblütler), die Stammpflanze des Gartensalats (Lactuca sativa) führt bitteren Milchsaft, der für die Abwehr von Fressfeinden sorgt. Davon unbeeindruckt ist der Lattichmönch (Cucullia lactucae), dessen Raupe sich von den Blättern verschiedener Latticharten ernährt.

Lattich-Mönch (Cucullia lactucae)












An der  Basis der Deponie wachsen auch Feuchtigkeit liebende Arten, die  am Ufer des Lohbachs zum Teil dichte Bestände bilden. Vor allem der Blutweiderich verwandelt das Ufer in leuchtendes Purpur.




Der leicht wärmeliebende Gewöhnliche Blutweiderich (Lythrum salicaria, Fam Weiderichgewächse) gedeiht auf nassen, zeitweise überschwemmten, nährstoffreichen Böden. Die Blüten sind ergiebige Nektarspender für Schwebfliegen, Schmetterlinge und Bienen. Jede Pflanze kann bis zu 3 Millionen Samen bilden. Die Samen haben Schleimhaare, mit denen sie an Wasservögeln haften, die weiträumig zur Verbreitung beitragen. Samentransport auch über Luft und Wasser.



In feuchten Streuwiesen, Auwäldern und Sumpfgebieten findet das Mädesüß oder die Spierstaude (Filipendula ulmaria, Fam. Rosengewächse) passende Bedingungen. Die Pflanze enthält u.a. Salicylate und Flavonoide und wird in der Volksheilkunde als mildes Fieber- und Schmerzmittel verwendet. Dem Tee aus Blüten und jungen Blättern werden harntreibende, entzündungshemmende und antirheumatische Eigenschaften zugeschrieben.
In Frankreich und Belgien werden die Blüten wegen ihres Honig-Mandel-Geschmacks zum Aromatisieren von Süßspeisen und Wein verwendet.


Das Zottige Weideröschen (Epilobium hirsutum, Nachtkerzengewächse) hat einen sehr effektiven Fraßschutz: Das Vieh meidet sogar das Heu wegen der Drüsenhaare und Nadelkristalle in den Zellen der Blätter. Trotzdem ist es beliebtes Futter für verschiedene Schmetterlingsraupen.
Das Nachtkerzengewächs ist häufig Bestandteil der Staudenfluren von Bächen und in Feuchtwiesen.






Im und am Rand des Lohbachs wuchert der Bach-Ehrenpreis (Veronica beccabunga, Fam. Wegerichgewächse). Junge Blätter können als Gemüse oder Salat gegessen werden, sie enthalten viel Vitamin C.  Vom Genuss des  Bach-Ehrenpreises im Lohbach ist allerdings abzuraten.





Die Deponieböschungen werden auch von eingeschleppten Pflanzenarten (NEOPHYTEN) besiedelt. Etliche davon sind invasiv, d.h. sie sind außergewöhnlich erfolgreich und verdrängen heimische Pflanzenarten. An den Deponieböschungen wachsen Goldrute, Drüsiges Springkraut, Kleines Springkraut, Sommerflieder und Nachtkerzen.


Die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis, Fam. Korbblütler) stammt aus Nordamerika. Durch ihre enorme Wuchskraft gefährdet sie heimische Pflanzen- und Tierarten und gilt als eine der problematischsten Neophyten.
In den nächsten Jahren wird sich die Goldrute auf der Harterhof-Deponie stark ausbreiten. Bereits jetz nimmt sie im älteren, nördlichen Teil der Böschen große Flächen ein. Auf längere Sicht werden sich die gepflanzten Bäume durchsetzen und durch Beschattung die Goldrute wieder weitgehend verdrängen. Letztenendes wird ein Wald entstehen.



Das Kleines Spingkraut  (Impatiens parviflora, Fam. Springkrautgewächse) stammt aus Nord- und Zentralasien. Neben Ruderalstandorten besiedelt es auch Waldränder.  
Im Gegensatz zum Drüsigen Springkraut ist der negative Einfluss auf die Zusammensetzung heimischer Pflanzengesellschaften gering, eine Bekämpfung daher nicht erforderlich.


Ursprünglich als Zierpflanze von Nordamerika eingeführt und später als Nutzpflanze kultiviert (Blätter und Wurzeln sind essbar, das Öl der Samen wird u.a. zur Herstellung von Hautcremen verwendet), verwildert die Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis, Fam. Nachkerzengewächse) sehr schnell und hybridisiert mit verwandten Nachtkerzenarten. Die über 1 m hohe Pflanze entwickelt nacheinander über 100  Blüten, die jeweils am Abend aufblühen und am nächsten Vormittag wieder verwelken. Nach anfänglicher Dominanz auf frisch aufgeschütteten Böden wird die Nachtkerze nach einigen Jahren von ausdauernden Pflanzen wieder verdrängt.



Alle Fotos: focusnatura