Dienstag, 1. Oktober 2013

Ameisen


Waldameisen beim Austausch von Futter
Alle Ameisenarten sind in Staaten aus verwandten Individuen organisiert, die (je nach Art und Alter der Kolonie) aus Dutzenden bis Millionen Tieren bestehen. Das Herzstück einer Kolonie sind eine bis mehrere Königinnen, die bis über 25 Jahre alt werden können. In der Regel produzieren nur sie Eier. Die Arbeiterinnen hingegen sind unfruchtbar und tragen durch Brutpflege, Nahrungserwerb, Nestbau und Verteidigung zum Wohle der Kolonie bei. Da sich die meisten Arten vorwiegend von Wirbellosen ernähren, spielen sie eine wichtige regulierende Rolle im Ökosystem. Daneben nutzen sie Pflanzensamen, süße Pflanzensäfte und „melken“ Blattläuse. Ihre Bedeutung für die Umschichtung des Bodens wird nur von Regenwürmern übertroffen. Spezialisten züchten Pilze, leben als dauerhafte Parasiten in den Nestern anderer Arten, überfallen fremde Staaten oder halten sich Arbeitssklaven. 

posted by Herbert Christian Wagner



Der Hügel von Waldameisen dient in erster Linie als Sonnenkollektor und weniger als Behausung, er ist also kein direktes Maß für die Größe der Kolonie: Je schattiger ein Lebensraum ist, desto höher müssen die Ameisen ihren Hügel bauen, um genug Sonnenstrahlen für die rasche Entwicklung des Nachwuchses abzufangen. Je nach Wetterlage können Waldameisen auch ihre Nesteingänge verschließen, damit keine Kälte in den Bau eindringt. Innen heizen sie in kalten Phasen durch ihre Stoffwechselaktivität und halten so die Brutkammern um bis 10°C über der Außentemperatur.



Arbeiterinnen der Schwachbeborsteten Gebirgswaldameise (Formica aquilonia) haben eine tote Heuschrecke gefunden und zerstückeln diese in mehrere Teile, um sie als Nahrung in das Nest einzutragen. Waldameisen sind bedeutende Räuber, die pro Tag über 1000 Insekten und Spinnentiere in ihr Nest eintragen können. Weil sie Forstschädlingen dezimieren, gelten sie in der Bevölkerung als nützlich und sind geschützt. 



Der nach oben gekrümmte Hinterleib dieser Schwachbeborsteten Gebirgswaldameise  (Formica aquilonia) verrät, dass sie sich in einer Kampfposition befindet. In dieser Stellung kann die Ameise aus ihrer Giftblase Ameisensäure dem menschlichen Beobachter entgegen spritzen, die auf offenen Wunden brennt. Im Gegensatz zu anderen Arten haben Waldameisen ihren Giftstachel im Laufe der Evolution verloren. Waldameisen sind generell sehr angriffslustige Tiere, ihr aggressives Verhalten zugunsten des Staates bei der Nestverteidigung oder bei Territorialkämpfen gegen Artgenossen anderer Staaten kann vielen Arbeiterinnen das Leben kosten. Kriegerische Auseinandersetzungen sind bei vielen Ameisen eine Alltäglichkeit.



Die Blutrote Raubameise (Formica sanguinea) ist ein fakultativer Sklavenjäger: Zwar sind deren Arbeiterinnen in der Lage, alle Aufgaben im Staat zu erfüllen, dennoch werden häufig Ameisennester von anderen Arten überfallen und geplündert. Die Arbeiterinnen dieser Nester werden getötet und als Nahrung genutzt, die Larven und Puppen hingegen werden oft lebendig in das eigene Nest eingetragen. Wenn dann die Sklavenameise im Nest ihres Feindes aus der Puppenhülle schlüpft, arbeitet sie zugunsten des fremden Staates als Sklave für eine artfremde Königin. Sklavenjägerverhalten bei Ameisen ist ein Grund dafür, warum man immer wieder Ameisennester mit verschiedenen Arten finden kann.


Die Schwarze Sklavenameise (Formica fusca) ist eine der häufigen Ameisenart in Tirol, die in keinem nicht zu schattigen Wald der tieferen Lagen fehlt. Aufgrund der Störung am Nest unter einem Stein bringen die Arbeiterinnen die Puppen sofort in Sicherheit. Aus den kleinen Puppen entwickeln sich weitere Arbeiterinnen, also sterile Weibchen, aus den größeren Puppen Geschlechtstiere, geflügelte Männchen und Weibchen. Diese werden das Mutternest bald verlassen und einen Massenpaarungsplatz aufsuchen. Die Männchen sterben nach der Paarung, die geflügelten Weibchen fliegen weiter, brechen schließlich ihre Flügel ab und versuchen als Königin ein neues Nest zu gründen. Dieses Vorhaben werden nur die wenigsten überleben.
Die Schwarze Sklavenameise ist oft Opfer von Sklavenjägern.




Die Schwarzbraune Rossameise (Camponotus ligniperdus) ist mit bis zu 14 mm die größte heimische Ameise und besiedelt Totholz. Die ähnliche Schwarze Rossameise hingegen baut ihre Nester im Splintholz lebender Fichten. Rossameisen ernähren sich vorwiegend von Honigtau der Blattläuse.

Die Arbeiterinnen der Gelben Diebsameise (Solenopsis fugax) sind die kleinsten in Nordtirol lebenden Ameisen und haben einen wirksamen Giftstachel. Es ist eine sehr Wärme liebende Art, die sekundär auch menschliche Siedlungsräume erschlossen hat. Oft nistet sie am Randbereich der Nester von größeren Ameisenarten. Von dort aus werden kleine Gänge zu deren Brutkammern gebaut, um Larven zu rauben und als Nahrung zu nutzen. Mit einem Repellent-Pheromon werden die größeren Ameisen "verwirrt", außerdem können diese aufgrund ihrer Körpergröße der Diebsameise durch die winzigen Gänge nicht verfolgen. Die dunklen Geschlechtstiere sind deutlich größer und landen zuweilen an Spätsommertagen auf Innsbrucker Gartentischen. 


Die Ausscheidungsprodukte der Blattläuse sind aufgrund deren schlechter Verdauung noch sehr zuckerreich - eine Energiequelle (Honigtau), die nicht nur Honigbienen für die Produktion von Waldhonig verwenden. Auch den Roten Knotenameisen (Myrmica rubra) und anderen Ameisenarten dient diese Ausscheidung als willkommene Nahrung. Mit ihren Fühlern berühren die Ameisen die Blattläuse, damit sie den Honigtau abgeben. Als „Gegenleistung“ werden die Läuse vor Fressfeinden verteidigt. Knotenameisen reagieren auf menschliche Störung am Nest sehr aggressiv. Durch ihre sehr schmerzhaften Stiche haben diese Tiere einen üblen Ruf. 





In Nordtirol leben mindestens drei Arten der Rasenameisen (Tetramonium sp.), deren Unterscheidung Ameisenforschern seit Jahrzehnten Kopfzerbrechen bereitet. Abgebildet sind Arbeiterinnen, Larven, Puppen und ein geflügeltes Weibchen vor dem Hochzeitsflug.






Im Ameisennest leben einige Untermieter aus unterschiedlichen Insektengruppen, die entweder durch ihre starke Panzerung für die Ameisen unangreifbar sind ( z. B. ein Glanzkäfer) oder den Nestgeruch der Ameisen annehmen und dann sogar von ihnen gefüttert werden (z.B. Kurzflügelkäfer, Ameisengrille). Das abgebildete Ameisenfischchen (Atelura formicaria) ist vor allem durch seine Flinkheit und die glatten Schuppen geschützt. Es kann nur in Ameisennestern leben. Die meisten Ameisengäste sind mehr oder weniger harmlos, die Larven der Ameisenbläulinge (dazu zählen mehrere Schmetterlingsarten) ernähren sich hingegen von der Ameisenbrut und können ganze Völker der Knotenameisen vernichten.



Weitere Informationen: